15.06.1957 — 01.01.2011
Verstorben im Alter von 53 Jahren
28199 Bremen, Deutschland
Geburtsort: | Gödestorf / Syke, Deutschland |
Friedhof: | Heiligenfelde |
Religion: | evangelisch |
Einschlafen dürfen, wenn man müde ist,
und eine Last fallen lassen dürfen, die man sehr lange getragen hat
Das ist eine tröstliche und wunderbare Sache
(H. Hesse)
Im Winter
Als meine Freunde,
Die Bäume, noch blühten,
Rosen und Feuer-
Lilien glühten,
Waren die Menschen
All mir bekannt,
War mir die Erde
Lieb und verwandt.
Jetzt, wo die Freunde,
Die Bäume, gestorben,
Jetzt, wo die Lieben,
Die Blumen, verdorben,
Stehen die Menschen
Kalt auf dem Schnee,
Und was sie treiben,
Macht mir nur weh.
Justinus Kerner
Abendphantasie
Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sitzt
Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd.
Gastfreundlich tönt dem Wanderer im
Friedlichen Dorfe die Abendglocke.
Wohl kehren itzt die Schiffer zum Hafen auch,
In fernen Städten, fröhlich verrauscht des Markts
Geschäftger Lärm; in stiller Laube
Glänzt das gesellige Mahl den Freunden.
Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen
Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh und Ruh
Ist alles freudig; warum schläft denn
Nimmer nur mir in der Brust der Stachel?
Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf;
Unzählig blühn die Rosen und ruhig scheint
Die goldne Welt; o dorthin nimmt mich,
Purpurne Wolken! und möge droben
In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb und Leid! –
Doch, wie verscheucht von töriger Bitte, flieht
Der Zauber; dunkel wirds und einsam
Unter dem Himmel, wie immer, bin ich –
Komm du nun, sanfter Schlummer! zu viel begehrt
Das Herz; doch endlich, Jugend! verglühst du ja,
Du ruhelose, träumerische!
Friedlich und heiter ist dann das Alter.
Friedrich Hölderlin
Totenblumen
Es blühten Tulpen und Narzissen,
sie blühten dir, sie blühten mir,
sie sind verwelkt, sie sind verdorret,
denn heute muss ich fort von dir.
Der blaue und der weiße Flieder,
der hat verloren seine Zier;
er wird uns niemals wieder blühen,
denn heute muss ich fort von dir.
Die roten und die weißen Rosen,
die blühen weder dir noch mir;
sie müssen ungepflückt verwelken,
denn heute muss ich fort von dir.
Die Astern und Reseden blühen,
was hilft es dir, was hilft es mir;
ein andrer wird sie beide brechen,
denn heute muss ich fort von dir.
Die allerletzten gelben Blumen,
die Ringelblumen, pflück ich mir;
sie blühen auf dem Grab der Liebe,
denn heute muss ich fort von dir.
Hermann Löns
Abendempfindung
Abend ist’s, die Sonne ist verschwunden,
Und der Mond strahlt Silberglanz;
So entfliehn des Lebens schönste Stunden,
Fliehn vorüber wie im Tanz.
Bald entflieht des Lebens bunte Szene,
Und der Vorhang rollt herab;
Aus ist unser Spiel, des Freundes Träne
Fließet schon auf unser Grab.
Bald vielleicht (mir weht, wie Westwind leise,
Eine stille Ahnung zu),
Schließ ich dieses Lebens Pilgerreise,
Fliege in das Land der Ruh.
Werdet ihr dann an meinem Grabe weinen,
Trauernd meine Asche sehn,
Dann, o Freunde, will ich euch erscheinen
Und will himmelauf euch wehn.
Schenk auch du ein Tränchen mir
Und pflücke mir ein Veilchen auf mein Grab,
Und mit deinem seelenvollen Blicke
Sieh dann sanft auf mich herab.
Weih mir eine Träne, und ach! schäme
dich nur nicht, sie mir zu weihn;
Oh, sie wird in meinem Diademe
Dann die schönste Perle sein!
Joachim Heinrich Campe
Abschied
Wie hab ich das gefühlt was Abschied heißt.
Wie weiß ichs noch: ein dunkles unverwundnes
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.
Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen,
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ,
zurückblieb, so als wärens alle Frauen
und dennoch klein und weiß und nichts als dies:
Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leise Weiterwinkendes -, schon kaum
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum,
von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen.
Rainer Maria Rilke
Trauer-Ode
Soll ich von Deinem Tode singen?
O Mariane! welch ein Lied!
Wenn Seufzer mit den Worten ringen,
Und ein Begriff den andern flieht.
Die Lust, die ich an Dir gefunden,
Vergrößert jetzund meine Not;
Ich öffne meines Herzens Wunden,
Und fühle nochmals Deinen Tod.
Doch meine Liebe war zu heftig,
Und Du verdienst sie allzuwohl,
Dein Bild bleibt in mir viel zu kräftig,
Als daß ich von Dir schweigen soll.
Es wird im Ausdruck meiner Liebe
Mir etwas meines Glückes neu;
Als wann von Dir mir etwas bliebe,
Ein zärtlich Abbild unsrer Treu.
Nicht Reden, die der Geist gebieret,
Nicht Dichter-Klagen fang ich an;
Nur Seufzer, die ein Herz verlieret,
Wann es sein Leid nicht fassen kann.
Ja, meine Seele will ich schildern
Von Lieb’ und Traurigkeit verwirrt,
Wie sie, ergetzt an Trauer-Bildern,
In Kummer-Labyrinthen irrt.
Ich seh Dich noch, wie Du erblaßest,
Wie ich verzweifelnd zu Dir trat,
Wie Du die letzten Kräfte faßtest,
Um noch ein Wort, das ich erbat.
O Seele voll der reinsten Triebe!
Wie ängstig warst Du für mein Leid?
Dein letztes Wort war Huld und Liebe,
Dein letztes Tun, Gelassenheit.
Wo flieh ich hin? in diesen Toren
Hat jeder Ort, was mich erschreckt!
Das Haus hier, wo ich Dich verloren;
Der Tempel dort, der Dich bedeckt;
Hier Kinder … ach! mein Blut muß lodern
Beim zarten Abdruck Deiner Zier,
Wann sie Dich stammelnd von mir fodern;
Wo flieh ich hin? ach! gern zu Dir.
O soll mein Herz nicht um Dich weinen!
Hier ist kein Freund Dir nah als ich.
Wer riß Dich aus dem Schoß der Deinen?
Du ließest sie, und wähltest mich.
Ein Vaterland, das Dir gewogen,
Verwandtschaft, die Dir liebreich war,
Dem allem hab ich Dich entzogen:
Wohin zu eilen? auf die Bahr.
Dort in der bittern Abschieds-Stunde
Wie Deine Schwester an Dir hing,
Wie nach und nach das Land verschwunde,
Und uns ihr letzter Blick entging;
Sprachst Du zu mir, mit holder Güte,
Die mit gelaßner Wehmut stritt;
Ich geh mit ruhigem Gemüthe,
Was fehlt mir? Der Haller kömmt ja mit.
Wie kann ich ohne Tränen denken
An jenen Tag, der Dich mir gab;
Noch jetzt, mischt Lust sich mit Kränken,
Entzückung löst mit Wehmut ab.
Wie ungemein war Deine Liebe!
Die Schönheit, Stand und Gut vergaß,
Und mich, so arm ich selbst mich schriebe,
Allein nach meinem Herzen maß.
Wie bald verließest Du die Jugend,
Und mied’st die Welt, um mein zu sein;
Du wich’st vom Weg gemeiner Tugend,
Und warest schön, für mich allein.
Dein Herz hing ganz an meinem Herzen,
Und sorgte nicht für Dein Geschick;
Voll Angst, bei meinem kleinsten Schmerzen,
Entzückt auf einen frohen Blick.
Ein nie am eiteln fester Wille,
Der sich nach Gottes Fügung bog;
Vergnüglichkeit und sanfte Stille,
Die weder Mut noch Leid bewog;
Ein Vorbild kluger Zucht an Kindern;
Ein ohne Blindheit zartes Herz;
Ein Herz, gemacht mein Leid zu lindern;
War meine Lust, und ist mein Schmerz.
Ach! herzlich hab ich Dich geliebet,
Weit mehr als ich Dir kund gemacht,
Mehr als die Welt mir Glauben giebet,
Mehr als ich selbst vorhin gedacht.
Wie oft, wann ich Dich innigst küßte,
Erzitterte mein Herz, und sprach:
Wie! wann ich sie verlassen müßte!
Und heimlich folgten Tränen nach.
Ja, mein Betrübnüs soll noch währen,
Wann schon die Zeit die Tränen hemmt:
Das Herz kennt andre Arten Zähren,
Als die die Wangen überschwemmt.
Die erste Liebe meiner Jugend,
Ein innig Denkmal Deiner Huld,
Und die Verehrung Deiner Tugend,
Sind meines Herzens stäte Schuld.
Im dicksten Wald, bei finstern Buchen,
Wo niemand meine Klagen hört,
Will ich Dein holdes Bildnüs suchen,
Wo niemand mein Gedächtnis stört.
Ich will Dich sehen, wie Du gingest,
Wie traurig, wann ich Abschied nahm;
Wie zärtlich, wann Du mich umfingest;
Wie freudig, wann ich wieder kam.
Auch in des Himmels tiefen Fernen,
Will ich im Dunkeln nach Dir sehn;
Und forschen, weiter als die Sternen,
Die unter Deinen Füßen drehn.
Dort wird jetzt Deine Unschuld glänzen
Vom Licht verklärter Wissenschaft:
Dort schwingt sich, aus den alten Grenzen,
Der Seele neu entbundne Kraft.
Dort lernst Du Gottes Licht gewöhnen,
Sein Rat, wird Seligkeit für Dich;
Du mischest mit der Engel Tönen,
Dein Lied, und ein Gebet für mich.
Du lernst den Nutzen meines Leidens,
Gott schlägt des Schicksals Buch Dir auf:
Dort steht die Absicht unsres Scheidens,
Und mein bestimmter Lebens-Lauf.
Vollkommenste! die ich auf Erden
So stark, und doch nicht genug geliebt,
Wie liebens-würdig wirst Du werden!
Nun Dich ein himmlisch Licht umgiebt.
Mich überfällt ein brünstig Hoffen,
O! sprich zu meinem Wunsch nicht nein!
O! halte Deine Arme offen!
Ich eile, ewig Dein zu sein.
Albrecht von Haller
Werd’ ich einst gestorben sein,
Werden dies und das sie sagen,
Dir doch ist bekannt allein,
Wofür hier mein Herz geschlagen.
Lass sie schwatzen immerhin
Über dem verscharrten Herzen,
Stumm, wie ich im Grabe bin,
Sei du stumm in deinen Schmerzen.
Meinen Schatten sollen nicht
Stören deines Auges Tränen,
Wenn er aus dem Sarge bricht,
Zu dir schwebt in seinem Sehnen.
Denn solang du lebest hier,
Kann ich nicht die Erde lassen,
Ohne dich, ich sag’s nur dir,
Würd’ ich selbst den Himmel hassen.
Bis gebrochen auch dein Herz,
Löst sich nicht mein Bann hienieden,
Dann erst schweb’ ich himmelwärts
Mit dir in der Sterne Frieden.
Träume
stille auf die Reise gehen,
hoch am Himmel hell die Sterne
leuchtend auf die Erde sehen.
Sanft der Wind die Bäume streichelt
wispern schwebt durchs Blätterdach,
Vögel sich ins Nest einkuscheln
murmelnd fließt der klare Bach.
In dem Silberglanz des Mondes
tanzen Wolken durch die Nacht,
und im großen Universum
sind die Engel still erwacht.
Fangen ein die kleinen Träumchen,
halten zärtlich sie im Arm.
Schweben hoch zum Sternenhimmel
fröhlich lachend und im Schwarm.
Fliegt meine Gedanken,
bitte flieg leise
und begebt Euch auf eine
lange Reise…
Tragt meine Grüße hinauf
zu den Sternen,
bis zu unseren Liebsten
in der Ferne…
Lasst sie von unserer
Liebe wissen,
und das wir sie jeden Tag
so sehr vermissen…
Auch, dass sie bestimmt
nie vergessen werden,
von ihrer Familie zu Hause
auf Erden…
Doch vergesst bitte nicht,
ihnen Danke zu sagen
für das Lächeln im Herzen
an glücklichen Tagen…
Fliegt, meine Gedanken,
bitte flieg leise
und nehmt meine Träne
mit auf die Reise…
Aus der Jugendzeit
Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit
Klingt ein Lied mir immerdar;
O wie liegt so weit, o wie liegt so weit,
Was mein einst war!
Was die Schwalbe sang, was die Schwalbe sang,
Die den Herbst und Frühling bringt;
Ob das Dorf entlang, ob das Dorf entlang
Das jetzt noch klingt?
»Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
Waren Kisten und Kasten schwer;
Als ich wieder kam, als ich wieder kam,
War alles leer.«
O du Kindermund, o du Kindermund,
Unbewusster Weisheit froh,
Vogelsprachekund, vogelsprachekund
Wie Salomo!
O du Heimatflur, o du Heimatflur,
Lass zu deinem heil’gen Raum
Mich noch einmal nur, mich noch einmal nur
Entfliehn im Traum!
Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
War die Welt mir voll so sehr;
Als ich wieder kam, als ich wieder kam,
War alles leer.
Wohl die Schwalbe kehrt, wohl die Schwalbe kehrt,
Und der leere Kasten schwoll,
Ist das Herz geleert, ist das Herz geleert,
Wird’s nie mehr voll.
Keine Schwalbe bringt, keine Schwalbe bringt
Dir zurück, wonach du weinst;
Doch die Schwalbe singt, doch die Schwalbe singt
Im Dorf wie einst:
»Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
Waren Kisten und Kasten schwer;
Als ich wieder kam, als ich wieder kam,
War alles leer.«
Friedrich Rückert
Fahrewohl
Den Linden ist zu Füßen tief
Das dürre Laub geblieben;
Am Himmel steht ein Scheidebrief
Ins Abendrot geschrieben.
Die Wasser glänzen still und kühl,
Ein Jahr ist drin ertrunken;
Mir ist ein schauernd Grabgefühl
Ins warme Herz gesunken.
Du schöne Welt! muss wohl ich bald
In diese Blätter sinken,
Dass andres Herz und andrer Wald
Die Frühlingslüfte trinken?
Wenn du für meines Wesens Raum
Ein Bessres weißt zu finden,
Dann lass mich aus dem Lebenstraum
Rasch und auf ewig schwinden!
Gottfried Keller
Beginn des Endes
Ein Punkt nur ist es, kaum ein Schmerz,
Nur ein Gefühl, empfunden eben;
Und dennoch spricht es stets darein,
Und dennoch stört es dich zu leben.
Wenn du es andern klagen willst,
So kannst du’s nicht in Worte fassen.
Du sagst dir selber: »Es ist nichts!«
Und dennoch will es dich nicht lassen.
So seltsam fremd wird dir die Welt,
Und leis verlässt dich alles Hoffen,
Bist du es endlich, endlich weißt,
Dass dich des Todes Pfeil getroffen.
Theodor Storm
Abendlied
Der Mond ist aufgegangen
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.
Seht ihr den Mond dort stehen? –
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.
Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder,
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste,
Und suchen viele Künste,
Und kommen weiter von dem Ziel.
Gott, lass uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Lass uns einfältig werden,
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!
Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und, wenn du uns genommen,
Lass uns in Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!
So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und lass uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!
Matthias Claudius
Wie wenn das Leben…
Wie wenn das Leben wär nichts andres
als das Verbrennen eines Lichts!
Verloren geht kein einzig Teilchen,
jedoch wir selber gehn ins Nichts!
Denn was wir Leib und Seele nennen,
so fest in eins gestaltet kaum,
es löst sich auf in tausend Teilchen
und wimmelt durch den öden Raum.
Es waltet stets dasselbe Leben,
Natur geht ihren ewgen Lauf;
in tausend neu erschaffnen Wesen,
stehn diese tausend Teilchen auf.
Das Wesen aber ist verloren,
das nur durch diesen Bund bestand,
wenn nicht der Zufall die verstaubten
aufs Neue zu einem Sein verband.
Theodor Storm
Auferstehung
Wenn einer starb, den du geliebt hienieden,
So trag hinaus zur Einsamkeit dein Wehe,
Dass ernst und still es sich mit dir ergehe
Im Wald, am Meer, auf Steigen längst gemieden.
Da fühlst du bald, dass jener, der geschieden,
Lebendig dir im Herzen auferstehe;
In Luft und Schatten spürst du seine Nähe,
Und aus den Tränen blüht ein tiefer Frieden.
Ja, schöner muss der Tote dich begleiten,
Ums Haupt der Schmerzverklärung lichten Schein,
Und treuer – denn du hast ihn alle Zeiten.
Das Herz auch hat sein Ostern, wo der Stein
Vom Grabe springt, dem wir den Staub nur weihten;
Und was du ewig liebst, ist ewig dein.
Emanuel Geibel
Am Jahrestag
Heut ist’s ein Jahr, dass man hinaus dich trug,
Hin durch die Gasse ging der lange Zug,
Die Sonne schien, es schwiegen Hast und Lärmen,
Die Tauben stiegen auf in ganzen Schwärmen.
Und rings der Felder herbstlich buntes Kleid,
Es nahm dem Trauerzuge fast sein Leid,
Ein Flüstern klang mit ein in den Choral,
Nun aber schwieg’s, – wir hielten am Portal.
Der Zug bog ein, da war das frische Grab,
Wir nächsten beide sahen still hinab,
Der Geistliche, des Tages letztes Licht
Umleuchtete sein freundlich ernst Gesicht,
Und als er nun die Abschiedsworte sprach,
Da sank der Sarg und Blumen fielen nach,
Spätrosen, rot und weiße, weiße Malven
Und mit den Blumen fielen die drei Salven.
Das klang so frisch in unser Ohr und Herz,
Hinschwand das Leid uns, aller Gram und Schmerz,
Das Leben, war dir’s wenig, war dir’s viel?
Ich weiß das eine nur, du bist am Ziel,
In Blumen durftest du gebettet werden,
Du hast die Ruh nun, Erde wird zu Erden,
Und kommt die Stund’ uns, dir uns anzureihn,
So lass die Stunde, Gott, wie diese sein.
Theodor Fontane
Abschied
O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächtger Aufenthalt.
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäftge Welt;
Schlag noch einmal die Bogen,
Um mich, du grünes Zelt.
Wenn es beginnt zu tagen,
Die Erde dampft und blinkt,
Die Vögel lustig schlagen,
Dass dir dein Herz erklingt:
Da mag vergehn, verwehen
Das trübe Erdenleid,
Da sollst du auferstehen
In junger Herrlichkeit!
Da steht im Wald geschrieben
Ein stilles, ernstes Wort
Von rechtem Tun und Lieben,
Und was des Menschen Hort.
Ich habe treu gelesen
Die Worte schlicht und wahr,
Und durch mein ganzes Wesen
Wards unaussprechlich klar.
Bald werd ich dich verlassen,
Fremd in der Fremde gehn,
Auf buntbewegten Gassen
Des Lebens Schauspiel sehn;
Und mitten in dem Leben
Wird deines Ernsts Gewalt
Mich Einsamen erheben,
So wird mein Herz nicht alt.
Joseph von Eichendorff
Ich werde leben, so
lange euer Herz schlägt.
Ich werde leben, so
lange ich bei euch einen
Platz im Herzen habe.
Ich werde leben, so
lange ihr euren Weg geht.
Ich werde leben, so
lange in eurem Leben ein
Lächeln erscheint.
Wenn ihr mich sucht,
dann sucht in eurem Herzen.
Wenn ihr mich dort
findet, dann lebe ich in
euch weiter.
An die Vergessene
Das Grab hat dich verschlungen,
Da schlummert dein Gebein;
Das Sterbelied ist verklungen,
Wer denkt noch fürder dein?
Ach! alle sind verschwunden,
Die einst geweint mit mir;
Ich hab’ allein gefunden
Den stillen Weg zu dir.
Ich kann es nimmer fassen,
Dass noch der Frühling glüht,
Dass nicht die Blumen blassen,
Seitdem du ausgeblüht;
Dass nicht ein schmerzlich Bangen
Durch jeden Jubel geht,
Seitdem du heimgegangen
Still, wie ein Nachtgebet.
Unendlich war dein Lieben,
Groß wie die Welt dein Herz;
Dies bleibet tief geschrieben
In meines Schmerzes Erz.
Lass dich getrost vergessen –
Wenn jedes Band zerbricht,
Wenn alle dich vergessen,
Mein Herz vergisst dich nicht!
Ein Lied, das, kaum geboren,
Auf leisem Hauch entschwebt,
Und doch so unverloren
In treuem Busen lebt –
So lebst du mir in Dauer:
Bist ein verklungnes Lied,
Das durch der Seele Trauer
Mit ew’gem Singen zieht.
Ludwig Pfau
Erntelied
Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Hat Gewalt vom höchsten Gott,
Heut wetzt er das Messer,
Es schneidt schon viel besser,
Bald wird er drein schneiden,
Wir müssens nur leiden.
Hüte dich schöns Blümelein!
Was heut noch grün und frisch da steht,
Wird morgen schon hinweggemäht:
Die edlen Narzissen,
Die Zierden der Wiesen,
Die schön’ Hyazinthen,
Die türkischen Binden.
Hüte dich schöns Blümelein!
Viel hundert tausend ungezählt,
Was nur unter die Sichel fällt,
Ihr Rosen, ihr Lilien,
Euch wird er austilgen,
Auch die Kaiser-Kronen,
Wird er nicht verschonen.
Hüte dich schöns Blümelein!
Das himmelfarbe Ehrenpreis,
Die Tulipanen gelb und weiß,
Die silbernen Glocken,
Die goldenen Flocken,
Senkt alles zur Erden,
Was wird daraus werden?
Hüte dich schöns Blümelein!
Ihr hübsch Lavendel, Rosmarein,
Ihr vielfärbige Röselein.
Ihr stolze Schwertlilien,
Ihr krause Basilien,
Ihr zarte Violen,
Man wird euch bald holen.
Hüte dich schöns Blümelein!
Trotz! Tod, komm her, ich fürcht dich nicht,
Trotz, eil daher in einem Schnitt.
Werd ich nur verletzet,
So werd ich versetzet
In den himmlischen Garten,
Auf den alle wir warten.
Freu’ dich du schöns Blümelein.
Arnim/Brentano
Es wandelt, was wir schauen…
Es wandelt, was wir schauen,
Tag sinkt ins Abendrot,
Die Lust hat eignes Grauen,
Und alles hat den Tod.
Ins Leben schleicht das Leiden
Sich heimlich wie ein Dieb,
Wir alle müssen scheiden
Von allem, was uns lieb.
Was gäb es doch auf Erden,
Wer hielt’ den Jammer aus,
Wer möcht geboren werden,
Hieltst du nicht droben Haus!
Du bist’s, der, was wir bauen,
Mild über uns zerbricht,
Dass wir den Himmel schauen –
Darum so klag ich nicht.
Joseph von Eichendorff
Abschied
Traurig ist’s wenn
Menschen gehen
in das unbekannte Land.
Nie mehr können wir sie sehen
oder spüren eine Hand.
Doch sie sind vorausgegangen,
halten uns die Tore auf,
werden einstens uns umfangen,
wenn zu End’ der Lebenslauf.
Wanderung
Ich bin so alleine,
Wer ist denn bei mir?
Es sprechen die Steine;
Es lächelt das Tier.
Ihr Vögel habt Flügel;
Es drückt mich der Schuh.
Ihr Bäume, ihr Hügel,
O kommt auf mich zu!
Umarme mich, Tanne!
Ich sinke so hold.
O, tränke mich, Kanne
Des Mondes, mit Gold!
Wo werden wir rasten?
Das Dunkel weht kalt.
Wir liebten, wir hassten,
Nun wurden wir Wald.
Klabund
Wenn ein Mensch
fort gegangen ist
bleiben wir zurück in dem
Schmerz darüber,
dass auch auf den
schönsten Sommer ein
Herbst folgt,
dass auch der
glücklichste Tag einen
Abend hat
und selbst die
bezaubernste Melodie
irgendwann verklingt.
Als Trost bleibt uns nur
die Gewissheit,
dass auch dieser Schmerz
vergänglich ist
wie die Winter, die Nacht
und die Stille.
Nur unsere Erinnerungen,
unsere Sehnsucht
und unsere Liebe sind
unsterblich
Der Schmetterling.
Einen Schmetterling – so zierlich schön –
habe ich heute in unserem Garten gesehen.
Er flatterte auf und ab
und brachte alles
um sich herum auf Trab.
Ich wollte ihn fangen,
doch nein – er war so klein,
und seine bunten Flügel
waren wie Sonnenschein.
Da flog er daher,
ganz leicht im Wind,
und die Zeit flog mit ihm fort,
so ganz geschwind.
Irgendwann – da hob er ab,
als ob er an einer Wolke hing,
und ich rief ihm noch hinterher:
“Auf Wiedersehen, mein Schmetterling!”.